Heute, am 14. Mai, haben AktivistInnen einige Textil-Geschäfte auf der Düsseldorfer Königsallee besucht, um die dort arbeitenden KollegInnen über den am 17. Mai in Düsseldorf stattfindenden Blockupy-Aktionstag zu informieren. Das Flugblatt zur Aktion findet sich hier in Druckqualität, im folgenden dokumentieren wir den Text:
Eine Information des BLOCKUPY-Bündnisses für die Beschäftigten in einigen Textil-Geschäften auf der KÖ
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
am 17. Mai werden wir im Rahmen der europäischen BLOCKUPY Aktionstage 2014 auch einige der Läden, in denen ihr arbeitet, besuchen. Wir werden Arbeitsbedingungen hier vor Ort, aber auch in den Produktionsländern der Textilien, thematisieren – und zu diesem Zwecke den Normalbetrieb auf der Düsseldorfer KÖ, einer der umsatzstärksten Einkaufsmeilen Europas, mit kleineren Aktionen ein wenig stören. Unsere Aktionen richten sich selbstverständlich nicht gegen Beschäftigte oder Kund/innen, sondern gegen die Bedingungen, unter denen Textilien hergestellt und verkauft werden.
Die europäischen BLOCKUPY Aktionstage 2014 protestieren gegen die Krisenpolitik der EU, gegen den Alltag in Kapitalismus. Ein Alltag, der für viele Menschen zunehmend von prekären Beschäftigungsverhältnissen und daraus resultierendem Stress und Konkurrenzdenken geprägt ist.
Besonders deutlich tritt das in der Textilindustrie zu Tage. An den Produktionsstandorten fabrizieren die Arbeiterinnen und Arbeiter (oft auch Kinder) zu niedrigsten Löhnen, häufig unter gesundheitsschädlichen Bedingungen. Katastrophen wie der massenhafte Tod von Kolleginnen und Kollegen durch Brände oder Einstürze von Fabriken wie vor einem Jahr in Bangladesch sind keine Seltenheit, gelangen jedoch nur manchmal in die hiesige Öffentlichkeit. Noch unbekannter ist, dass es vor Ort den zähen Widerstand und die Selbst-Organisierung der Arbeiterinnen und Arbeiter in diesen Fabriken gibt. Wir werden bei der Aktion am 17. Mai auch über diese Kämpfe informieren.
Die Beschäftigten in Deutschland sind, wenn auch anders, ebenso miesen Bedingungen ausgesetzt. Hier werden die mühsam errungenen Rechte der 2,7 Millionen Beschäftigten im Einzelhandel abgebaut und ihre Löhne auf verschiedene Arten gedrückt.
Viele der Beschäftigten in der Textilbranche sind Frauen, die überproportional von Niedriglöhnen betroffen sind, aber auch für die Männer gilt: Je niedriger die Löhne, desto höher der Gewinn der Unternehmen. Die Beschäftigten im Textilhandel wissen daher nur zu gut, was miserable Arbeitsbedingungen, schlechte Bezahlung (teilweise Niedriglöhne noch unter 8,50€, also netto 1100€ für eine 40h Woche) und persönliche Schikane bedeuten.
Viele Kolleg/innen stehen unter massivem Druck. Rund 80% haben nur noch befristete Arbeitsverträge, manchmal sogar Kettenverträge von jeweils zwei, drei Monaten. Kaum jemand arbeitet dort länger als zwei Jahre.
Unaufhörlich propagiert z.B. American Apparel ihre neue industrielle Revolution, die angeblich sweatshop-free und ohne Ausbeutung produziere, die also für faire Arbeitsbedingungen stünde. Lange bekam AA viel positive Presse und konnte von diesem Image zehren. Die Realität ist aber stets eine andere gewesen.
Derzeit will AA erheblich beim Personal kürzen, weil zu Anfang des Jahres die Umsätze so gering seien. Dabei werden den KollegInnen willkürlich die Stunden gekürzt (zugleich unbezahlte Überstunden am Betriebsrat vorbei angeordnet) und unbezahlter Urlaub von bis zu drei Monaten aufgedrückt. Auch werden Entlassungen vorgenommen, um dann bei „Wohlverhalten“ eine Wiedereinstellungen in Aussicht zu stellen.
Das Management schreckt vor gezielten Täuschungen und Lügen nicht zurück. Einige Kolleg/innen sind verschreckt (viele kennen ihre Rechte nicht) und unterschreiben spontan Vereinbarungen, die schlecht für sie sind. Wie selbstverständlich werden dabei die Rechte der Kolleg/innen und ihres Betriebsrates missachtet.
Dabei gibt es Erfolge, wenn Kolleg/innen sich wehren: Willkürliche Abmahnungen aus geringsten Anlässen werden nach Intervention des Betriebsrates zurückgenommen. Der Betriebsrat hat zusammen mit der Gewerkschaft ver.di den Urlaubsanspruch der Teilzeitkräfte sowie die gesetzlichen Zuschläge bei Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit durchgesetzt.
Hollister, eine Tochter von Abercrombie & Fitch, hat noch vor Jahresfrist wegen ihrer Totalüberwachung schlechte Presse bekommen. Und dort, wo es keinen Betriebsrat gibt, finden Leibesvisitationen noch immer statt.
Die Gesundheitsbelastungen für Verkäufer/innen durch die enervierende Parfum-Bestäubung in den Filialen sind auch schon in aller Munde. Nach Interventionen musste Abercrombie & Fitch ihre Parfumbelästigung deutlich verringern. Die Belastungen für Käufer/innen durch krebserzeugende chemische Verunreinigungen in den Textilien existieren hingegen weiter.
Die Gesundheit der Kolleg/innen mit Kontakt zur Ware ist bei Primark nicht minder belastet. Wir wissen von Haut, Atem- und Kreislaufproblemen bis hin zu Ohnmachtsanfällen beim Öffnen der Waren im Lager, was auf toxische Belastungen durch den Produktionsprozeß vermuten läßt. Das deckt sich mit den vorliegenden Informationen, denen zufolge sowohl die Arbeitsschutz- als auch die Umweltschutzvereinbarungen von Primark in den asiatischen Ländern (vor allem in Bangladesch) ignoriert werden.
Wenn Vorgesetzte bei Primark mitbekommen, dass Kolleg/innen sich beschweren oder gar über die Gründung eines Betriebsrates zum Schutz ihrer Interessen nachdenken, werden ihre Arbeitsverträge nicht verlängert.
Auch in den Zara-Stores herrscht völlige Unterbesetzung, häufig müssen die Kolleg/innen Jobs übernehmen, für die sie nicht entsprechend entlohnt werden. Insbesondere erkrankte Kolleg/innen werden unter Druck gesetzt, dabei wird die Unerfahrenheit und rechtliche Unsicherheit vieler Kolleg/innen in den Krankengesprächen ausgenutzt.
Solange die Unternehmen die prekären Arbeits- und Lebensverhältnisse ausnutzen können, solange werden sie es tun, auch auf illegalem Wege. Das Einzige, was dagegen hilft, ist das Zusammenhalten der Kolleg/innen.
Sobald wir uns miteinander in Verbindung setzen, uns über unsere Arbeits- und Lebensverhältnisse austauschen, entsteht auch die Möglichkeit zur solidarischen Gegenwehr gegen die miesen Bedingungen, die viele von uns betreffen.
Wir müssen dazu kommen, uns zu organisieren. Die Gewerkschaften können dabei helfen und Betriebsräte in allen Läden zu organisieren ist sicherlich auch gut. Wir sollten aber auch darüber nachdenken, neue Formen der organisierten Vertretung unserer Interessen aufzubauen, neue Formen der Kämpfe für unsere Interessen zu erlernen – und das weltweit, denn unsere Interessen als Beschäftigte sind überall auf der Welt sehr ähnlich.
BLOCKUPY ist ein aktionsorientierter Zusammenschluss mehrerer Gruppen und Organisationen aus Deutschland sowie aus vierzehn weiteren europäischen Ländern.
Der Name des Bündnisses leitet sich von der Aktionsidee ab: Blockieren (englisch: to block) und Besetzen (englisch: to occupy). Bereits 2012 und 2013 organisierte das Bündnis Aktionstage mit dem (trotz massiver Polizeigewalt) weitgehend erreichten Ziel, das Tagesgeschäft der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main zu stören und damit gegen die kapitalistische Krisenpolitik zu protestieren. Die Mittel der Aktion waren die Besetzung öffentlicher Plätze und die Blockade der Zufahrtswege zur EZB.
Für 2014 hat die von vielen hundert Delegierten besuchte Internationale Aktionskonferenz des Bündnisses beschlossen, die geplante Eröffnungsfeier (unter Beteiligung der Wirtschaftsund Politprominenz der Euro-Länder) des Neubaus der Europäischen Zentralbank im Herbst/Winter mit Aktionen zu begleiten. Dabei wird es ein vielfältiges Angebot geben: Inhaltliche Veranstaltungen zum Selber-Klüger- Werden und zum Mitdiskutieren, Demonstrationen für alle, die ihren Protest zeigen wollen – und Aktionen des massenhaften zivilen Ungehorsams für alle, die den Schritt vom Protest zum Widerstand gehen wollen.
Informationen unter www.blockupy.de